Mit Bürgern zusammenarbeiten statt im Elfenbeinturm zu forschen
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Auf der „Living Knowledge"-Konferenz diskutieren Wissenschaftler aus 36 Nationen - darunter auch Forscher der Uni Bonn - über die gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen.
Professoren und Studenten sollten Bürgern bei ihren konkreten Problemen vor Ort helfen – anstatt bloß über sie im Elfenbeinturm zu forschen. Die deutschen Wissenschaftler sollten sich skandinavische und asiatische Unis zum Vorbild nehmen – denn dort gehört gesellschaftliches Engagement längst zum Selbstverständnis. Das ist – plakativ gesagt – das Fazit der Konferenz „Living Knowledge“, die in diesen Tagen in Bonn stattfand.
Rund 250 Teilnehmer aus Hochschulen und wissenschaftsnahen Institutionen aus 36 Ländern diskutierten drei Tage lang über die gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen. Die Konferenz, die vom Wissenschaftsladen Bonn im Rahmen des EU-Projekts PERARES gefördert wurde, fand das erste Mal in Deutschland statt, das fünfte Mal insgesamt.
Zentrales Thema: Der öffentliche Auftrag der Wissenschaftler. „Während viele Jahre bloß über Betroffene geforscht wurde, findet Forschung mittlerweile mit und letztlich für Betroffene statt“, sagt Norbert Steinhaus vom Wissenschaftsladen Bonn und Organisator der diesjährigen Konferenz.
Die Teilnehmer tauschten sich über „Best Practices“ aus, über vorbildliche Beispiele, wie Wissenschaftler und Studenten vor Ort helfen können. Beispiel Dortmund: In einem interdisziplinären Projekt halfen Nachwuchs-Architekten und -Sozialarbeiter einem heruntergekommenen „Problem-Viertel“ auf die Beine. Sie entwarfen unter anderem einen Stadtentwicklungsplan. Mit den Eindrücken und dem Feedback der Bürger vor Ort gingen sie zurück in ihre Hochschule.
Warum solche Beispiele immer noch Mangelware an deutschen Hochschulen sind, erklärte Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Stifterverbandes. „Mit solchen Projekten kann man sich in Deutschland leider noch keine wissenschaftliche Reputation aufbauen. Es gibt zu wenig Anerkennung.“ Das liege auch daran, dass die staatliche Förderung solcher Projekte schwierig sei und damit die Finanzierung schnell wackelt. Letztlich hänge der Erfolg bisher vor allem vom persönlichen Einsatz der Wissenschaftler ab.
Dass es trotzdem positive Beispiele für gesellschaftliches Engagement von Hochschulen gibt, liegt auch an Wissenschaftsläden, von denen es allein in Europa etwa 60 Stück gibt. Sie verstehen sich als Vermittler zwischen Bürgern und Wissenschaftlern. Ein konkretes Beispiel schildert Steinhaus aus Bonn: Ein Kindergarten hatte angefragt, wie stark der Mobilfunkmast in unmittelbarer Nähe abstrahlt. Der Wissenschaftsladen fand eine Studentin der Hochschule Rhein-Sieg – und die stellte in ihrer Abschlussarbeit fest: Der Mobilfunkmast war (wie mehrere andere Masten auch) in der öffentlich zugänglichen Datenbank nicht korrekt verzeichnet. Die tatsächliche Strahlung auf die Kita war höher als nach den Daten zu vermuten war. „Ein Fall, der zeigt, wie Wissenschaftler vor Ort auf Probleme hinweisen und so den Bürgern helfen“, so Steinhaus.
Dass dies letztlich auch ihr Auftrag ist, betonte Claudia Neubauer von der Pariser Fondation Sciences Citoyennes auf der Living-Knowledge-Konferenz: „Hochschulen werden von der Öffentlichkeit finanziert. Da sollte es im Grunde selbstverständlich sein, dass die Bürger mitentscheiden können, worüber geforscht wird.“ Die angeblichen „Laien“ hätten unglaublich viel Expertenwissen, wenn es um ihre eigenen konkreten Probleme gehe. Die Wissenschaft könne davon enorm profitieren.
Ansprechpartner:
Norbert Steinhaus
Tel. (02 28) 201 61-22
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http://www.livingknowledge.org/conference/