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Führungskräfte: „Raus aus der Komfortzone“

Um als Chef*in Konflikte im Team erfolgreich zu meistern, ist es wichtig, das man sich selbst gut kennt und bereit ist dazuzulernen, sagt WILA-Referentin Dr. Merjam Wakili.

Interview: Katrin Poese

Wie wichtig ist Reflexion für Führungskräfte?

Reflexion und Selbstreflexion sind mit das Allerwichtigste – im Grunde für jeden Menschen, aber insbesondere für Führungskräfte, weil sie eine besondere Verantwortung für das Team und für die erbrachte Leistung haben.

Was sollte man über sich als Führungskraft wissen?

Es hilft, bei sich selbst zu gucken: Welchen Führungsstil bringe ich mit meiner Konstitution mit? Bin ich zum Beispiel eher demokratisch? Ist es mir wichtig, mein Team in alle Entscheidungen einzubeziehen? Man sollte aber auch schauen, mit welchem Führungsstil man sein Potenzial entfalten kann und wo das Lernfeld sein könnte. Wenn ich merke, ich müsste eigentlich viel stärker lenken und Entscheidungen selbst treffen, dann könnte dieser eher direktive Führungsstil mein Lernfeld sein. Sich selbst zu kennen hilft, situativ angemessen reagieren zu können.

Wie analysiert man den eigenen Führungsstil? Gibt es da Methoden?

Es ist gut, wenn man die eigenen roten Tücher und Handlungsmuster kennt. Zum Beispiel hilft die Transaktionsanalyse sehr gut dabei, Gesprächsdynamiken zu verstehen. Zu wissen: Wenn ich das aus dieser Haltung heraus so formuliere, dann ist klar, dass das beim Gegenüber diese Reaktion auslöst. Und natürlich andersherum: Was triggert mich und warum? Die Transaktionsanalyse macht diese Dynamiken sichtbar. Sie fragt: Aus welchem Ich-Zustand
spreche ich gerade? Spreche ich aus dem kritischen Eltern-Ich und triggere beim Gegenüber das rebellische Kind-Ich? Oder begegnen wir uns im Hier und Jetzt aus einem Erwachsenen-Ich-Zustand?

Was mache ich besser, wenn ich mir über solche Dinge im Klaren bin?

Das Wissen um diese Dynamiken in der Begegnung hilft enorm, auf die Meta-Ebene gehen zu können und so Handlungsspielräume zu eröffnen. Dieses Sich-Selbst-Begegnen ist essenziell, um einen Schritt zurückzutreten und klarer zu sehen: Was gibt es hier zu tun? Gibt es überhaupt etwas zu tun? Führungskräfte, die diese Fähigkeit zu abstrahieren, nicht ausgeprägt haben, verstricken sich selbst und das Team immer wieder in energiefressende
Konflikte und Psychospielchen. Die hätten sie nicht, wenn sie ihre Führungsrolle mithilfe von Selbstreflexion ausleben würden.

Wie kann man sich das persönliche Lernfeld erschließen, von dem Sie vorhin gesprochen haben?

Unvertrautes und vielleicht auch Unbequemes überhaupt als Lernfeld anzuerkennen, das ist der erste Schritt. Also nicht zu sagen, das kann ich nicht, das gehört nicht zu meinem Charakter. Oder: Das habe ich schon immer so gemacht. Da könnte es eher eine Art Trotz oder Widerstand sein, der mich daran hindert zu wachsen. Auch dem kann ich mich zuwenden und darin das Lernfeld sehen. Also es hilft, neugierig zu bleiben und dem Weg einen Wert zu geben. Dann kommt man auch weg von einem Richtig-Falsch-Denken. Ich spreche lieber von stimmig. Welche Entscheidung ist gerade stimmig für die Situation? Und sich das Lernfeld zu erschließen, heißt dann, weiterzugehen,  also zu merken: Weil ich gerne Harmonie habe, fällt es mir unglaublich schwer, die heißen Eisen anzupacken. Wenn ich reflektiere und mir selbst begegne, kann ich bewusst entscheiden: Ich gehe den Schritt, auch, wenn er sich unangenehm anfühlt. In dem Moment trete ich aus meiner Komfortzone heraus. Damit mute ich mir selbst und auch dem Team, das ich führe, etwas zu, weil wir alle das vertraute Terrain verlassen. Aber genau darum geht es ja auch, dass es ein gemeinsames Lernen und Wachsen ist.

Wie läuft die Kommunikation zwischen einer reflektierten, empathischen Führungspersönlichkeit und ihrem Team ab?

Ebenbürtig, menschlich, zugewandt und schöpferisch. Man arbeitet ja im Team, um etwas zu erschaffen, ob es nun ein Text ist oder ein Produkt oder ein Projekt. Und dieses Schöpferische, Kreative, das kann nur entstehen, wenn ich als Führungskraft auch den Raum dafür aufmache. Das kann ich, indem ich zuhöre. Beim Schlagwort ebenbürtig ist mir der Respekt wichtig. Dass ich fähig bin, jemandem als Mensch zu begegnen, jenseits der Rollen und Funktionen, die wir haben. Und dafür muss ich das Menschsein erstmal in mir selbst sehen und respektieren.

Über Dr. Merjam Wakili

merjam wakiliAusbildung: Studium der Journalistik und Philosophie. Branchenkenntnisse u.a.: Medienhäuser, NGOs, Verwaltung. Organisationsberatung, Moderation, Mediation, Prozessbegleitung. Lehrtrainerin, Kommunikationsexpertin und Coach für Good Leadership.

 Geburtsjahr: 1981

 Foto: © Tom Pingel, 2019.

 

Dieser Artikel erschien im Original im WILA Arbeitsmarkt, Ausgabe 33|2021.

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