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Vorstellungsgespräch: Die beste Seite von sich zeigen

Im Vorstellungsgespräch anwesend zu sein bedeutet noch lange nicht, gesehen zu werden. Karriere-Experte Cüneyt Özer verrät im Interview, wie Bewerber*innen es im persönlichen Gespräch schaffen, mehr von sich zu zeigen als den Lebenslauf.

Interview: Stefanie Schweizer

Was bedeutet es, im Vorstellungsgespräch sichtbar zu sein? Schließlich ist man ja im Raum oder per Video anwesend und kaum zu übersehen.

Das würde man so vermuten, doch es gibt einiges zu beachten. Sichtbarkeit beginnt mit dem Zeitpunkt, ab dem wir einen Raum betreten. Es macht kaum einen Unterschied, ob das ein realer oder virtueller Raum ist. Das Ziel ist klar: Sich durch positive Sichtbarkeit von anderen Mitstreitenden unterscheiden und vor allem in Erinnerung der Personaler*innen bleiben. Darum geht es. Die Sichtbarkeit sollte bleiben, auch wenn Sie den Raum verlassen.

Der erste Eindruck ist wichtig. Wie gelingt er?

Positive Sichtbarkeit geschieht nicht nur physisch und durch Körpersprache, auch mit der Art und dem Inhalt des Gesagten kann sie erzeugt werden. Die Selbstpräsentation beim Kennenlerngespräch bietet hierfür eine optimale Chance. Fädeln Sie Themen ein, über die Sie gerne sprechen, wie Hobbys und Interessen. Lassen Sie Personaler*innen ein wenig hinter die Kulissen schauen, teilen Sie punktuell Emotionen. Erzählen Sie über positive persönliche Ereignisse. Lassen Sie Bilder in den Köpfen entstehen, um „greifbarer” zu werden. Personaler*innen möchten nicht nur erfahren, wie Sie fachlich aufgestellt sind, sondern auch, ob Sie mit Ihrer Persönlichkeit ins Team passen. Bewährt hat sich nach meinen Erfahrungen das Verhältnis 20 Prozent Persönliches zu 80 Prozent berufliche Inhalte. Ich empfehle als Zeitrahmen für eine wirkungsvolle Selbstpräsentation vier Minuten. Denken Sie dabei immer an den Grundsatz „Delete the negative and include the positive”. Dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, wissen Arbeitgebende ohnehin.

Auf welche Aspekte konzentrieren sich Personaler*innen im Vorstellungsgespräch?

„Wenn wir uns nicht vorbereiten, bereiten wir uns auf das Scheitern vor”, das hat Benjamin Franklin schon so gesehen. Die Erfahrung zeigt, dass es kaum zu einem Match kommt, wenn Bewerbende sich nicht auf ihren „Auftritt“ vorbereiten. Personaler*innen rechnen es Ihnen hoch an, wenn Sie vorbereitet sind. Gehen Sie daher gut informiert in die Gespräche. Finden Sie vorab heraus, mit welchem Ohr Ihnen Ihr Gegenüber zuhören wird, also welche Themen ihn oder sie bewegen. Entgegen den Empfehlungen aus eingestaubten Ratgebern sollten Sie wissen, dass  Vorstellungsgespräche nicht als einseitige Prüfung, sondern viel mehr als ein beidseitiger Austausch auf Augenhöhe zu verstehen sind.

Auf welche weiteren Aspekte sollten Bewerber*innen für ein gutes Selbstmarketing im Vorstellungsgespräch achten?

Sie sollten Ihre Kompetenzen kennen und diese verbalisieren können. Anders als bei Produkten ist Humanpower nicht direkt wahrnehmbar. Auch wenn Bescheidenheit uns von unseren Eltern als Zier gepredigt wurde, ist sie in diesem Kontext nicht förderlich. Wie sichtbar und überzeugend wir im Vorstellungsgespräch wirken, hängt oft davon ab, wie gut wir unsere Kompetenzen erläutern können. Bleiben Sie hier  objektiv und binden Sie am besten positives Feedback von ehemaligen Lehrkräften oder Vorgesetzten ein. Grundsätzlich ist selbstsicheres Auftreten nicht zu verwechseln mit Überheblichkeit, Authentizität nicht mit Arroganz und Glaubwürdigkeit nicht mit Makellosigkeit.

Wie optimieren Bewerber*innen ihr Selbstmarketing außerhalb des Vorstellungsgesprächs?

Aus meinen Erhebungen und Analysen geht hervor, dass die Anzahl der E-Recruiter*innen in Organisationen und Unternehmen rasant steigt. Diese Personen tummeln sich zur Akquise neuer Fachkräfte hauptsächlich  auf  den  sozialen  Jobportalen.  Aus  Sicht  der  Arbeitge-benden  ist  es  durchaus  rentabel,  den  Spieß  umzudrehen.  Ich  stelle  aufgrund dieser Tendenz die These auf, dass die klassische Form der Personalakquise – also Stelle ausschreiben, Bewerbungen erhalten, sortieren, einladen oder absagen, einstellen – durch E-Recruiting in einigen Jahren abgelöst sein wird. Unterschätzen Sie daher nicht die Wichtigkeit der sozialen Jobportale. Eine Profil   optimierung ist empfehlenswert.

Dieser Artikel erschien im Original im WILA Arbeitsmarkt, Ausgabe 4/2023.

Über Cüneyt Özer

OezerAusbildung: Dipl.-Kaufmann, Trainer der Erwachsenenbildung, Berufserfahrung in der Beratung von Akademiker*innen sowie Erfahrung in Bewerberprozessen.

Website: www.defacto-karriere.de

 

 

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