Erfolgreich netzwerken: Alle Kontakte nutzen
Viele offene Stellen werden heutzutage unter der Hand vergeben. Um an diese ranzukommen, empfiehlt es sich, ein umfangreiches Netzwerk an beruflichen Kontakten aufzubauen. Wie das funktioniert, erklärt Netzwerk-Coach und WILA-Dozentin Dr. Antje Schultheis.
Interview: Elisabeth Werder
Warum werden viele Stellen „unter der Hand“ besetzt?
Offizielle Ausschreibe- und Auswahlprozesse sind oft ressourcenaufwändig, langwierig und setzen zu spät ein. Eine Ausschreibung bedeutet das Sichten von sehr vielen und „Aussortieren“ von Kandidat*innen. Sobald sich ein Personalbedarf abzeichnet, hören viele Arbeitgeber sich gern erstmal in den eigenen Netzwerken um.
Welchen Vorteil haben Unternehmen und Mitarbeitende dadurch?
Selbst nach einem Bewerbungsverfahren nach den Kriterien der Objektivität, Validität und Reliablität ist nicht sicher, ob jemand mit seinen Werten, seiner Haltung und Arbeitsweise ins Team passt. Besser einschätzen kann man das, wenn man jemanden schon kennt: zum Beispiel ehemalige Praktikant*innen, studentische Hilfskräfte, Mitarbeiter*innen oder Fachkräfte von kooperierenden Arbeitgebern.
Also lohnt es sich, auf inoffiziellen Wegen den Kontakt zu suchen?
Man investiert in das eigene Empfehlungsmarketing, kommt mit Arbeitgebern direkt in Kontakt und erfährt ihre (künftigen) Bedarfe. Arbeitgebende Organisationen gehen heute aktiver und auch innovativer auf potenziell neue Mitarbeitende zu und vertrauen Kontakt-Empfehlungen. Dies geschieht zum Beispiel auf Jobmessen oder über digitale Netzwerke wie Linkedin und Xing. Ein Trend ist das so genannte Fridge Hiring, also auf Vorrat Menschen rekrutieren oder sogar einstellen, bevor es einen akuten Personalbedarf gibt. Dies ist vor allem in folgenden Fällen interessant: Bei anstehenden Berentungen, geplanter Expansion oder zu erwartender Projektmittelbewilligung, als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung oder wenn man eine längere Einarbeitungszeit einplant, bis die Fachkraft sich in der richtigen Stelle voll entfaltet.
Welche Arbeitgeber können sich Fridge Hiring leisten?
Die Frage muss sein: Wer kann es sich leisten, Personalengpässe und aufwendige Rekrutierungsprozesse zu spät und dann unter zeitlichem und personellem Hochdruck zu gestalten? Bestandsmitarbeiter*innen werden oft durch die Überbelastung und Vertretung einer unbesetzten Stelle krank. Das kostet nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Sozialkassen. Geschmeidige Übergänge sind letztlich ressourcenschonender.
Sicher fehlen vor allem bei NGOs die Mittel für Fridge Hiring?
Für NGOs, die sich auf viele Fördermittel bewerben, könnte das Fridge Hiring sehr attraktiv sein: Sobald eines der Projekte bewilligt ist, muss der Start mit einem neuen und erweiterten Team schnell gehen. Doch hier jemanden „auf Vorrat“ voll einzustellen, ist für NGOs finanziell herausfordernd. Ein Einarbeiten in Teilzeit oder freier Mitarbeit könnte eine Option sein.
Wie funktioniert pro-aktives Netzwerken?
Netzwerken bedeutet „geben, geben und an anderer Stelle wieder etwas bekommen“. Überlegen Sie: Welche Informationen oder Kontakte kann ich weitergeben und welche brauche ich? Wer kann mich mit interessanten Menschen bekannt machen oder auf welche gehe ich – zum Beispiel über LinkedIn – direkt zu? Das Wichtigste ist eine positive Einstellung. Netzwerken ist nicht zu verwechseln mit Vetternwirtschaft, sondern ein wertschätzendes füreinander Interessieren, Teilen von Informationen und Erfahrungen, Weiterleiten von Hinweisen, Auftragsanfragen, Stellenangeboten und das Erteilen von Empfehlungen. Wenn man erst mal in dem informellen Netzwerk Sicherheit gewinnt, kann man sich dann die thematisch-fachlichen und formellen Netzwerke erschließen und sich dort präsentieren.
Wie finden introvertierte Menschen den Einstieg ins Netzwerken?
Üben Sie: Gehen Sie an Tagen, wo Sie sich gut fühlen, auf Veranstaltungen. Oder begleiten Sie Kolleg*innen auf Meetings und lassen sich im Huckepackverfahren vorstellen. Bei digitalen Meetings nutzen Sie die Breakoutsessions, um intensiver ins Gespräch zu kommen. Genau dies bieten wir im beruflichen Netzwerk Spinnen-Netz an, wo wir Arbeitssuchende mit Menschen in Kontakt bringen, die bei ihren Wunscharbeitgebern arbeiten.
Dieser Artikel erschien im Original im WILA Arbeitsmarkt, Ausgabe 31/2023.
Über Antje Schultheiss
Ausbildung: Coach und Lehrbeauftragte
Website: https://www.antjeschultheis.de/
Seminare im WILA Bildungszentrum:
08.09.2023 | Online-Seminar: Verdeckter Arbeitsmarkt? Den passenden Job durch pro-aktives Netzwerken entdecken |